Etikett und Kapsel

Es gibt zwei Sorten von Etikettentrinkern, und beiden Gattungen sollte man als Weinverständiger nicht unbedingt angehören.

Erstens jene, die Weine nach ästhetischen Gestaltungskriterien des Etiketts (gediegen, originell, poppig,…) auswählen. Zugegeben, es ist manchmal nicht einfach, eine halbwegs objektive Qualitätsbeurteilung ohne Ansehen der Flasche abzugeben. Als gelungen empfundenes Design bringt einfach Startvorteile. Auch ich freu mich, wenn optische Eleganz im Weinregal lagert. Bitte nicht verwirren lassen, ein grausiges G’schloder bleibt auch behübscht ein grausiges G’schloder.

Zweitens jene, die Weine nach den großen Namen der Winzer und Regionen auswählen und über ein sendungsbewusstes Halb- bis Viertelwissen verfügen. Da kann ein Weinabend dann schnell mühsam werden.

Was verrät ein französisches Weinetikett?

Das wahre, wichtige Etikett klebt meist auf der Rückseite der Flasche, die Werbefläche ist vorne. Gibt es nur vorne eines, müssen auch alle gesetzlichen Anforderungen damit erfüllt werden.

Verpflichtend draufstehen muss

  • Name und Anschrift des Abfüllers, im guten Fall ist das auch der Erzeuger. Achtet auf „Mis en bouteille au domaine“ oder „Mis en bouteille à la propriété“ (Flaschenabfüllung am Anwesen).
  • Weinkategorie/Herkunftsbezeichnung AOC/AOP, IGP, Vin de France
  • Herkunftsland: Produit en France
  • Flaschenfüllmenge
  • Alkoholgehalt mindestens in halben Volumenprozenten, z.B. 13,5 % Vol.
  • Loskennzeichnung, winzig aufgedruckt, beginnt immer mit L und der betriebsinternen Chargennummer
  • Wenn über 10 mg/l Sulfite zugesetzt sind, der Hinweis „Contient des sulfites“ oder „Contains sulphites“, da ist sogar die englische Version zugelassen, hört, hört!
  • Wenn Ei- oder Milchprodukte als Schönungsmittel zum Einsatz kommen, ein Hinweis darauf.
  • Hinweis, dass Schwangere keinen Alkohol trinken sollen, auch als Piktogramm möglich.
  • Bei Schaumweinen die Einstufung des Zuckergehalts (Brut, Sec,.)

Zusätzlich finden sich oft folgende Angaben:

  • Jahrgang. Setzt voraus, dass mindestens 85 % der Trauben in dem betreffenden Jahr geerntet wurden.
  • Rebsorte, wenn der Wein zu mindestens 85 % aus dieser Sorte hergestellt wurde. Werden die Namen von zwei oder mehr Rebsorten angeführt, muss der Wein zu 100 % aus den etikettierten Sorten hergestellt sein und jede Sorte zu mindestens 15 % vorhanden sein.
  • Biowein (Vin biologique oder ähnlich), die Kennzeichnung mit dem europäischen Logo ist obligatorisch und kann durch das französische Logo oder andere Prüfstellen ergänzt werden.
  • Gutsbezeichnung, Hinweise auf einen Hofnamen (Château, Domaine, Clos, Mas usw.) sind Weinen mit geografischer Angabe vorbehalten. Es gibt zwei Bedingungen: ausschließlich aus Trauben, die in den von diesem Betrieb bewirtschafteten Weinbergen geerntet wurden, und die Weinherstellung muss vollständig in diesem Anwesen durchgeführt werden.
  • Restzuckereinstufung von Stillweinen
  • Labels zu Biodynamie (z.B. Demeter) und Winzervereinigungen (z.B. Vigneron Independant)
  • Medaillen von Wettbewerben sind mit Vorsicht zu genießen, gerne auf belanglosen Supermarktweinen zu finden
  • Begriffe wie vendange manuelle (Handlese), vieilles vignes (Alte Reben), vin de macèration (Orangewein), leveurs indigènes (einheimische Hefen), élevé en cuve inox (im Edelstahltank ausgebaut), en fut de chêne (im Eichenholzfass), sur lies (auf der Feinhefe)
  • Bei Schaumweinen die Dosageangabe in g/l, das Lesedatum, die Dauer der Flaschengärung und das Degorgierdatum, alles höchst spannend für wahre Freaks.

Eine Minigebrauchsanleitung kommt auch manchmal vor. Serviertemperatur, Karaffieren, Hefedepot, Speisenbegleitung, Lagerfähigkeit, ich finde diese Hinweise durchaus nützlich und serviceorientiert.

Im Vergleich zum österreichischen Weinrecht fällt auf, dass die Rebsorte und die Restzuckereinstufung nicht zwingend angeführt werden müssen. Der Franzose orientiert sich vor allem an den Herkunftsbezeichnungen. Chablis ist Chardonnay und trocken, da gibt es keine Diskussion. Weißer Sancerre ist Sauvignon Blanc und trocken, roter Sancerre ist Pinot Noir, da fährt die Eisenbahn drüber. Ein Régnié ist Beaujolais-Rotwein aus der Sorte Gamay, ganz klar. Jurançon ist weiß und süß, was sonst?

Zollkapsel/Capsule CRD

Fast alle französischen Weinflaschen haben eine Abdeckung des Flaschenverschlusses mit dem Bildnis der Marianne, einer allegorischen Frauenfigur der republikanischen Werte „Liberté, Égalité, Fraternité“.

Dieses Siegel gibt an, dass die Verbrauchssteuern auf Alkohol in Frankreich an die Generaldirektion für Zölle und indirekte Rechte (DGDDI) gezahlt wurden. Seine Anwesenheit ist zwar seit dem 2019 nicht mehr zwingend erforderlich, aber Usus.

Was verrät uns die capsule?

GrünWeine aus IGP- oder AOC/AOP-Gebieten
BlauWeine als Vin de France klassifiziert
Dunkelrotersetzt seit 2011 langsam Grün und Blau
OrangeVin doux naturel, aufgespritete Weine, Likörweine
GelbCognac, Armagnac
WeißAnderer Alkohol
Farbcodes

Die ersten zwei Ziffern bezeichnen das Heimatdepartement des Abfüllers, Récoltant heißt Erzeuger, möglich wäre auch Négociant (Händler) oder Entrepositaire agréé (Lager), die nächsten Ziffern verdeutlichen die behördliche Zulassungsnummer des Abfüllers.

Warum ist das spannend?

Récoltant bedeutet quasi eine Garantie für die Produktionskontrolle, weil Erzeugung und Abfüllung vom selben Betrieb durchgeführt wurden. Der Négociant kauft Wein in großen Mengen und füllt selbst ab oder kauft bereits abgefüllten Wein in Flaschen, eine Vermischung mit Récoltants kann also vorkommen. Entrepositaire agréé heißt, der Lagerhalter kauft Trauben oder Wein und vermarktet ihn unter seinem Namen, seiner Marke. Das sind die großen Handelshäuser.

Da wir ja bei kleineren, unabhängigen Winzern einkaufen wollen, ist der Récoltant die erste Wahl.

Capsule

Beispiele: 11 Recoltant 709, Erzeugerabfüllung durch Domaine de Cazaban im Departement Aude, Languedoc

64 Recoltant 71, Erzeugerabfüllung durch Domaine Bru-Baché im Departement Basses-Pyrénées, Nouvelle-Aquitaine, grün ein Jurançon nach AOC-Regeln, blau ein Pet Nat als Vin de France klassifiziert.