Auch wenn wir Weine abseits des Mainstreams bevorzugen, wollen wir uns bitte hier dem Mainstream der Klimawissenschaftler anschließen und den menschengemachten Klimawandel nicht bezweifeln. Fakt ist, es wird immer heißer. Was bedeutet das für den Weinbau?
Rebe und Klima
Hart im Nehmen ist sie ja, die Weinrebe, vor allem alte Stöcke halten Minustemperaturen, lange Trockenheit und Hitze gut aus. Ob die Trauben perfekt reifen können, ist aber von Jahr zu Jahr eine Zitterpartie. Das hängt vor allem von Spätfrösten, Niederschlagsverteilung, Sonnenscheindauer, Tages- und Nachttemperaturen im Spätsommer und Herbst und etwaigen Sturm- und Hagelunwettern ab.
Weinbau findet auf der Nordhalbkugel zwischen 40. und 50. Breitengrad unter folgenden Minimumbedingungen statt:
- Jahrestemperatur 9 °C
- Jahressonnenscheindauer 1.300 Stunden
- Jahresniederschlag 500 mm
Günstige Temperaturwerte sind 9 °C bis 13 °C im Jahresschnitt, während der Blütezeit im Juni zwischen 15 °C und 30 °C und ab dann bis zur Lese zwischen 20 °C und 28 °C.
Höhere Temperaturen im März und April sind zwar gern gesehen, erhöhen aber durch frühen Blattaustrieb die Gefahr, dass Spätfröste die empfindlichen, gerade austreibenden Blattknospen abtöten. Später dann aufkommende Triebknospen können die Verluste nicht mehr ausgleichen. Während der Blütezeit ist anhaltender Niederschlag fatal, da nur wenige Blütenstände sich zu Beeren entwickeln können. Temperaturen deutlich über 30 °C erhöhen die Sonnenbrandgefahr für die Beeren und bei Ausbleiben von Sommerniederschlägen entsteht Trockenstress, wobei im Extremfall die Rebe die Traubenreifung einstellt. Ein heißer Herbst mit hohen Nachttemperaturen beschleunigt den Säureabbau und mindert die Aromenbildung. Ein sehr feuchter Sommer und Herbst fördert den Pilzbefall. Man sieht schon, der Weinbauer hat mit Wetterphänomenen grundsätzlich allerhand Sorgen.
Jede Rebsorte hat ihre besonderen Ansprüche an das Klima, die Regionen Frankreichs weisen entsprechend nur gut angepasste Sorten auf.
Huglin-Index
Interessant ist der Huglin-Index H, der Wärmesummen in der Vegetationsperiode von Anfang April bis Ende September beschreibt, entwickelt in Frankreich für flache Rebflächen. Hangflächen weisen noch ein wenig höhere Wärmesummen auf. Unter 1.500 Huglin ist Weinbau nicht sinnvoll möglich.
Bei diesen Werten fühlen sich folgende Rebsorten wohl:
- 1600 < H < 1700 Pinot Blanc, Pinot Gris, Gewürztraminer, Aligoté, Gamay
- 1700 < H < 1800 Riesling, Chardonnay, Sylvaner, Sauvignon Blanc, Pinot Noir
- 1800 < H < 1900 Cabernet Franc
- 1900 < H < 2000 Chenin Blanc, Cabernet Sauvignon, Merlot
- 2100 < H < 2200 Syrah, Grenache Noir, Cinsault
- 2200 < H < 2300 Carignan
Man sieht sehr schön, welche Rebsorten in den nördlichen und südlichen Gebieten zu Hause sind. Will der Winzer etwa im Languedoc einen Sauvignon Blanc keltern, was durchaus gemacht wird und spannende Ergebnisse liefert, muss er die kühlsten Lagen an Nordhängen und in der Höhe aufsuchen.
Um das Thema noch griffiger zu machen, ausnahmsweise ein Ausflug nach Österreich. Wo im Kamptal die Leitsorten Grüner Veltliner und Riesling stehen, fühlen sich um 2050 bei Fortschreibung der derzeitigen Erwärmung Grenache und Syrah sehr wohl. Im Seewinkel würde sich der Zweigelt bereits dem Carignan geschlagen geben müssen. Dafür wird die Steiermark zur feinsten Rotweingegend. Das Selbstverständnis und das Marketingkonzept der Weinregionen müssten im Prinzip völlig neu aufgestellt werden.
Auswirkungen des Klimawandel
Die Grenzen des Weinbaus werden sich um bis zu 400 km nach Norden und 150 m in die Höhe verschieben. Derzeit wird ja bereits in Südengland sehr guter Schaumwein produziert, die Niederlande, Norddeutschland, Dänemark und Polen werden zu potenten Weinbauregionen. Das Rebsortenspektrum der derzeitigen Weinbaugebiete wird sich zwangsläufig ändern müssen. Dass in 30 Jahren im Burgund und der Champagne immer noch Chardonnay und Pinot Noir vorherrschen, wage ich stark zu bezweifeln, desgleichen, dass jemand für einen Grenache aus Chambertin (Burgunder Oberliga) noch ein Heidengeld ablegen will. Ob im heißen Midi des Languedoc tatsächlich noch vernünftig Wein erzeugt werden kann, wenn der worst case mit 5 °C Erwärmung bis 2100 eintritt, wird auch spannend, die Weingärten werden jedenfalls weit die Hänge in die Höhe kraxeln müssen, es dürften ihnen aber die Meter ausgehen. Drei Viertel der Weinbaufläche Südfrankreichs wäre nicht mehr zu bewirtschaften.
Jedenfalls treiben die Reben und reifen die Beeren derzeit schon im Schnitt drei Wochen früher als vor 30 Jahren. Was hat das für Konsequenzen?
- Spätfrostgefährdung steigt
- Vermehrte Extremwetterlagen mit Hagelgefahr
- Sonnenbrandgefahr für Beeren und Blätter
- Trockenstress bei langen Hitzewellen führt zu Traubenwelke und Ertragsverlust
- Zucker- und folgend Alkoholgehalt steigen noch mehr
- vorzeitiger Säureabbau in der Beere vermindert die Frische im Wein
- Erwärmung fördert die Ausbreitung von teils neuen Schädlingen und Fäulnis bei Feuchte
Gegenstrategien
Teilweise kann der Winzer dem Klimawandel gegensteuern, Wundermittel gibt es jedoch keines.
- Umstellung auf biologischen Weinbau steigert die Widerstandskraft der Reben, das Bodenleben, den Erosionsschutz und die Nützlingsdichte gegen Schadbefall
- Sortenwahl hin zu Trockenheitsresistenz, Neuzüchtungen und Rückbesinnung auf alte, widerstandsfähige Sorten
- Pflegemaßnahmen wie Rebschnitt, grüne Lese und Laubarbeit müssen gut geplant werden
- Bewässerungsanlagen und damit aber auch der Streit um die begrenzte Ressource Wasser
- Lese von nur gesundem Traubenmaterial in den kühlen Morgenstunden
- Als letzte Möglichkeit kellereitechnische Eingriffe wie Alkoholentzug und Säureanreicherung, was mir schon beim Hinschreiben Schmerzen verursacht.
Zusammenfassend wird es einige Gewinner unter auch neu dazukommenden Weinregionen in Europa geben, aber ungleich mehr Verlierer, unternehmen wir also bitte schon allein aus diesem Grund alles, den Klimawandel zu beschränken und die schlimmsten Auswirkungen eines überhitzten Planeten zu verhindern.